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20Elf von sei­ner schöns­ten Seite

Ein kleine Medienkritik zur Frauenfußball-WM 2011

Die letz­ten Monate haben ein­deu­tig gezeigt: Frau­en­fuß­ball ist in der Mitte der Gesell­schaft ange­kom­men! Und nicht nur das, er ist auch in der Mitte der Hei­del­ber­ger Uni ange­kom­men. Die Frauen-WM wird kom­plett live über­tra­gen wer­den, im zeug­haus, Marstall-Café und Chez Pierre. Dar­auf macht das Cover der Juni-Ausgabe des Stu­den­ten­werk­blatts „Cam­pus HD“ auf­merk­sam.

Eine Bil­der­su­che im Inter­net unter dem Stich­wort „Frau­en­fuß­ball“ zeigt, dass es zwei Kate­go­rien von Bil­dern gibt, die die bei­den (poten­zi­ell gegen­sätz­li­chen) Wel­ten Frauen und Fuß­ball zusam­men­brin­gen: die eine zeigt schlicht Frauen, die Fuß­ball spie­len. Auf der Tref­fer­liste ganz oben erschei­nen jedoch Bil­der der zwei­ten Kate­go­rie. Hier sieht man „Fuß­bal­le­rin­nen“ in auf­rei­zen­den Des­sous im Revu­e­stil auf­mar­schie­ren. Diese Bil­der rich­ten sich in ers­ter Linie an Män­ner, denen das Thema Fuß­ball beim Betrach­ten leicht beklei­de­ter Frauen einen zusätz­li­chen Kick ver­schafft. So las­sen sich Sex und Fuß­ball ein­fach ver­bin­den, statt sie im Wett­be­werb um die schönste Neben­sa­che der Welt in Kon­kur­renz zu brin­gen. Lei­der hat das Stu­den­ten­werk sich für letz­tere Kate­go­rie entschieden.

Und doch passt das Bild gut in die Ver­mark­tungs­stra­te­gie der Frauen-WM in Deutsch­land. Die Mäd­chen– und Frau­en­ab­tei­lung ist die ein­zige Sparte, in der der DFB noch stei­gende Mit­glie­der­zah­len ver­zeich­net – diese Ent­wick­lung soll durch die WM im eige­nen Land wei­ter vor­an­ge­trie­ben wer­den. Die zuletzt in der Reihe „Ich wäre gern…“ auf den Markt gekom­mene Barbie-Puppe macht deut­lich: Fuß­ball­spie­le­rin ist (neben Beru­fen wie Delf­in­trai­ne­rin, Bal­le­rina, Tier­ärz­tin, aber auch Computer-Expertin) inzwi­schen ein posi­ti­ves Rol­len­mo­dell für junge Mäd­chen. Dass Bar­bie und Fuß­ball keine Gegen­sätze mehr sind, ist auch die Bot­schaft der meis­ten Berichte zur Frauen-WM, die sehr bemüht sind, die Weib­lich­keit des Sports zu beto­nen. Im Mit­tel­punkt steht das Aus­se­hen der Spie­le­rin­nen, ihre Attrak­ti­vi­tät ist aus­schlag­ge­bend für ihre mediale Ver­markt­bar­keit. Dabei rücken die sport­li­chen Aspekte immer wie­der gegen­über Fra­gen nach Schminke und Nagel­lack in den Hin­ter­grund. Die letzte Kon­se­quenz die­ser Ent­wick­lung war, dass sich Spie­le­rin­nen des U-20 Natio­nal­teams für den „Play­boy“ aus­zo­gen. Wenn die jun­gen Frauen im Inter­view sagen, dass sie das Vor­ur­teil des „Manns­weibs“ wider­le­gen wol­len, bestä­ti­gen sie es damit ein­mal mehr. Es ging ihnen darum, zu bewei­sen, „dass es nicht mehr so ist, wie es frü­her ein­mal war und dass es durch­aus auch attrak­tive Fuß­ball­spie­le­rin­nen gibt.“ Erschre­ckend ist, wie schnell dabei das Kli­schee zu einer his­to­ri­schen Tat­sa­che sti­li­siert wird — in Miss­ach­tung der sport­li­chen Leis­tun­gen von Spie­le­rin­nen wie Sil­via Neid in den Jahr­zehn­ten nach Auf­he­bung des DFB-Verbots, von denen die jün­ge­ren Gene­ra­tio­nen heute profitieren.

20Elf von sei­ner schöns­ten Seite“: der offi­zi­elle Slo­gan der WM rich­tet eben­falls den Fokus auf die „Attrak­ti­vi­tät“ des Frau­en­fuß­balls. Das Motto soll – laut offi­zi­el­ler Erklä­rung auf den Sei­ten von FIFA und DFB – die „dyna­mi­schen, tech­nisch unge­mein ambi­tiö­sen und sehens­wer­ten Ele­mente“ des Frau­en­fuß­balls her­vor­he­ben, womit über den Sport selbst prak­tisch nichts gesagt ist, doch aber über die Schwie­rig­keit, die­sen als tat­säch­lich „sehens­wert“ zu ver­mark­ten. Daher muss im fol­gen­den Satz auch dar­auf hin­ge­wie­sen wer­den, dass es „hüb­sche Frauen und Mäd­chen“ sind, die „in aller Welt in immer grö­ße­rer Zahl dem run­den Leder hin­ter­her jagen.“

In Hin­blick auf die vie­len Vor­ur­teile über Frau­en­fuß­ball ist es sicher wün­schens­wert, dass das Bild der Fuß­bal­le­rin diver­si­fi­ziert und auf­ge­wer­tet wird. Jedoch beschränkt sich die Dar­stel­lung der Spie­le­rin­nen bis­her auf eine ein­deu­tig wer­tende Pola­ri­sie­rung von „Manns­weib“ und „attrak­ti­ver, femi­ni­ner Frau“. Anstatt die Viel­falt mög­li­cher Weib­lich­keits­ent­würfe zu zei­gen, die im Frau­en­fuß­ball und im deut­schen Natio­nal­team zu fin­den sind, wird der Sport so in die engen Gren­zen des Mas­sen­mark­tes mit sei­nen nor­ma­ti­ven Weib­lich­keits­vor­stel­lun­gen gedrängt. Damit ist er schließ­lich auch in der Mitte der Gesell­schaft angekommen.

Corinna Ass­mann, Juni 2011