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Afrika-Tag im Zoo

Was hat ein „Afrikatag“ im Zoo mit Kolonialismus zu tun?

Bericht und Stel­lung­nahme zur Ver­an­stal­tung im Hei­del­ber­ger Zoo am 30.6.2012

Am 30. Juni fand im Hei­del­ber­ger Zoo ein „Afri­ka­tag“ statt. Schwarz­weiss sieht die Gefahr, dass solch eine Ver­an­stal­tung im Zoo kolo­niale Asso­zia­ti­ons­ket­ten pro­vo­ziert, die nicht (un)bewusst in Kauf genom­men, son­dern gesell­schaft­lich debat­tiert und auf­ge­ar­bei­tet wer­den sollten.

Um was ging es dabei eigent­lich? Der „Afri­ka­tag im Zoo“ umfasste Füh­run­gen und Work­shops zur Dau­er­aus­stel­lung Shona-Art und einen Auf­tritt des Hei­del­ber­ger Afri­ka­chors „Imbongi-Voices for Africa“ auf der Fla­min­go­wiese. Ange­kün­digt wurde im glei­chen Atem­zug auch die Füt­te­rung der Men­schen­af­fen. Diese Insze­nie­rung stieß bei schwarz­weiss und eini­gen Afro­deut­schen und Afri­ka­ne­rIn­nen in Hei­del­berg auf Unver­ständ­nis. Es ent­stand spon­tan eine Ini­ta­tive, die sich zum Ziel gesetzt hat, den „Afri­ka­tag im Zoo“ kri­tisch zu beglei­ten und auf die Pro­ble­ma­tik auf­merk­sam zu machen, die sol­chen Ver­an­stal­tun­gen inne­wohnt. Ver­fasst wurde ein offe­ner Brief an den Zoo (s. unten), der auch an die Zoo­be­su­che­rIn­nen ver­teilt wurde. Zudem stan­den Ver­tre­rIn­nen der Initia­tive vor dem Zoo für Gesprä­che bereit. Betei­ligt waren die Pan-Afrikanische Orga­ni­sa­tion Hei­del­berg e.V., VASUH (Ver­ein afri­ka­ni­scher Stu­die­ren­der an der Uni­ver­si­tät Hei­del­berg), schwarz­weiss e.V., das Anti­dis­kri­mi­nie­rungs­re­fe­rat der Stu­die­ren­den­ver­tre­tung (FSK) der Uni­ver­si­tät Hei­del­berg und die Kapel­len­ge­meinde Hei­del­berg. Sowohl mit Besu­che­rIn­nen des Zoos als auch mit Dr. Klaus Wün­ne­mann (Geschäfts­füh­rer des Zoos), Stef­fa­nie Rich­ter (Presse– und Öffent­lich­keits­ar­beit) und Bas­tian Mül­ler (Gale­rist der Aus­stel­lung Shona Art) fan­den pro­duk­tive Gesprä­che statt. Infol­ge­des­sen wurde der Initia­tive zuge­si­chert, dass in den Füh­run­gen, Work­shops und auf der Home­page des Zoos auf die pro­ble­ma­ti­schen his­to­ri­schen Bezie­hungs­ge­flechte zwi­schen Kolo­nia­lis­mus, Zoos und struk­tu­rel­lem Ras­sis­mus ver­wie­sen wird.

Warum enga­giert sich schwarz­weiss in einer sol­chen Initia­tive? Schwarz­weiss hat sich zum Ziel gesetzt, die Kon­ti­nui­tä­ten von Kolo­nia­lis­mus im heu­ti­gen Den­ken und Han­deln auf­zu­zei­gen und öffent­lich zu hin­ter­fra­gen. Kolo­nia­les Den­ken hat sich in Bil­dern und in der Vor­stel­lungs­welt west­eu­ro­päi­scher Gesell­schaf­ten fest­ge­setzt und ist zu einer Nor­ma­li­tät gewor­den, die wir an vie­len Stel­len in unse­rem All­tag antref­fen: Süd­see­schön­hei­ten mit Bana­nen­röck­chen, die für Obst­saft wer­ben, Wer­be­pla­kate von Ent­wick­lungshil­fe­or­ga­ni­sa­tio­nen, die arme, halb­nackte Kin­der vor einer Dorf­ku­lisse zei­gen, Kin­der­buch­zeich­nun­gen mit dick­lip­pi­gen, lus­ti­gen Schwar­zen, die an Affen erin­nern, Par­ty­lie­der à la „Zehn nackte Neger“, immer­wäh­rende Zei­tungs­nach­rich­ten über den „Kri­sen­kon­ti­nent“ Afrika etc.

Diese ein­sei­ti­gen, dis­kri­mi­nie­ren­den Afri­ka­bil­der sind auf eine lange und pro­ble­ma­ti­sche Bild­tra­di­tion zurück­zu­füh­ren. Ein­set­zend mit den ers­ten Kon­tak­ten zwi­schen Euro­päe­rIn­nen und Afri­ka­ne­rIn­nen in der Neu­zeit war es vor allem die Zeit des euro­päi­schen Kolo­nia­lis­mus seit dem spä­ten 19. Jahr­hun­dert, in der sich ras­sis­ti­sche und ste­reo­type Sicht­wei­sen auf Afri­ka­ne­rIn­nen in euro­päi­schen Köp­fen mani­fes­tier­ten und zu selbst­ver­ständ­li­chen All­tags­vor­stel­lun­gen wur­den. Men­schen aus den Kolo­nien wur­den als lus­tig, dumm, exo­tisch, ero­tisch, natür­lich und/oder wild ange­se­hen, nicht jedoch als eben­bür­tig oder gar gleich­wer­tig. Diese Vor­stel­lun­gen bil­de­ten einen Gegen­pol zur Selbst­de­fi­ni­tion von Europa als Hort der Kul­tur und Ratio­na­li­tät und wur­den zu einer Recht­fer­ti­gung, warum die Kolo­nien von den Euro­päe­rIn­nen „zivi­li­siert“ wer­den muss­ten. Dass viele die­ser Bil­der noch unbe­wusst in unse­ren Köp­fen her­um­schwir­ren, liegt an der kaum statt­fin­den­den kri­ti­schen Auf­ar­bei­tung der kolo­nia­len Ver­gan­gen­heit in Europa, in Deutsch­land hinkt selbst die The­ma­ti­sie­rung hinterher.

Zoos und Völ­ker­kun­de­mu­seen waren zwi­schen etwa 1870 bis in die 1950er Jahre die Aus­stel­lungs­räume par excel­lence, in denen die (ehe­ma­li­gen) Kolo­nien und das Fremde dem hei­mi­schen Publi­kum erklärt wer­den soll­ten. Mit Abstand die meis­ten Zuschaue­rIn­nen haben aber Kolo­ni­al­aus­stel­lun­gen, beson­ders im Rah­men von Welt­aus­stel­lun­gen ange­zo­gen. Diese fan­den auf rie­si­gen Frei­flä­chen, wie der The­re­si­en­wiese in Mün­chen statt, um die Besu­cher­mas­sen unter­zu­brin­gen. In Zoo­lo­gi­schen Gär­ten und Kolo­ni­al­aus­stel­lun­gen wur­den als fremd­ar­tig erschei­nende Tiere und Pflan­zen aus­ge­stellt, und damit die Sehn­sucht der Euro­päer nach Exo­tik und Kurio­si­tät bedient. Aus kolo­ni­al­po­li­ti­scher Sicht fun­gier­ten sie dar­über hin­aus als Räume, um das Thema Kolo­nia­lis­mus einem grö­ße­ren Publi­kum näher­zu­brin­gen, zu bewer­ben und dadurch Zustim­mung zur Kolo­ni­al­po­li­tik und wei­te­ren Expan­sion zu erzeu­gen. Afri­ka­ni­sche Men­schen, die in die­sen Parks und Aus­stel­lun­gen auf­tra­ten, zuwei­len unter Zwang, zuwei­len mit gerin­ger Ent­loh­nung, ver­hal­fen den Zoos zu einer authen­tisch erschei­nen­den tro­pi­schen Kulisse. Die Dar­bie­tung tra­di­tio­nel­ler Tänze, Gesänge und Hand­werks­ar­bei­ten sowie die Insze­nie­rung eines schein­bar reprä­sen­ta­ti­ven Dorf– und Fami­li­en­all­tags soll­ten ein run­des Bild von Afrika und afri­ka­ni­scher Kul­tur ver­mit­teln. Gesen­det wurde ein Afri­ka­bild, das in der Natur­ku­lisse zwi­schen wil­den Tie­ren und exo­ti­schen Pflan­zen mög­lichst natür­lich, archa­isch und ein wenig lus­tig schei­nen sollte. Denn Zoos soll­ten schließ­lich unter­hal­ten. Dabei war es wich­tig, dass diese Men­schen mög­lichst „authen­tisch“ (im euro­päi­schen Ver­ständ­nis) wirk­ten. Män­ner aus Kame­run, die auf der Kolo­ni­al­aus­stel­lung 1896 in euro­päi­schen Anzü­gen erschie­nen, waren ein Skandal.

Diese Geschichte ist nicht ein­fach „vor­bei“ oder „abge­hakt“. Sie hat unsere Gegen­wart geprägt und ihre Kon­ti­nui­tä­ten sind im heu­ti­gen All­tags­den­ken noch prä­sent. Heute einen Zoo unkom­men­tiert als Kulisse für einen „Afri­ka­tag“ zu wäh­len, in des­sen Pro­gramm afri­ka­ni­sche Kunst, Musik und Affen den Rah­men bil­den, knüpft an zu viele die­ser kolo­nia­len Afri­ka­bil­der von Natür­lich­keit, Exo­tik und Tier­nähe an. Dabei ist es mehr als ver­ständ­lich, dass das bei eini­gen Schwar­zen und People of Color mehr als Unbe­ha­gen sowie das Gefühl einer ver­letz­ten Würde her­vor­ruft. Um die unbe­wusst ablau­fen­den Asso­zia­tio­nen bewusst zu machen und auf­zu­bre­chen, ist es nötig, auf die pro­ble­ma­ti­sche Kolo­ni­al­ge­schichte hin­zu­wei­sen, die auch in Deutsch­land viele Spu­ren hin­ter­las­sen hat, mit denen wir heute leben. Zahl­rei­che Völ­ker­kun­de­mu­seen klä­ren inzwi­schen über den Ursprung ihrer Muse­ums­gat­tung auf und dis­tan­zie­ren sich von den Bil­dern und ras­sis­ti­schen Infor­ma­tio­nen über „fremde Völ­ker“, die zu ihrer Grün­dungs­zeit gesen­det wur­den. Die Debat­ten sind noch im Gange, der­zeit wird vor allem die Rück­gabe ein­zel­ner Kul­tur­gü­ter debat­tiert. Wir sind gespannt, in wel­cher Form die Ver­ant­wort­li­chen beim Zoo nun ihre Ver­spre­chen umset­zen werden.

 

Afrika-Tag im Zoo

Offe­ner Brief an den Hei­del­ber­ger Zoo

28. Juni 2012

Die Unter­zeich­ne­rIn­nen haben mit eini­ger Ver­wun­de­rung von dem „Afri­ka­tag im Zoo“ am 30. Juni 2012 erfah­ren. Afri­ka­ni­sche Men­schen und afri­ka­ni­sche Kul­tur in einem Tier­gar­ten als Publi­k­um­sat­trak­tion dar­zu­stel­len, erin­nert an die Zur­schau­stel­lung von Men­schen auf Völ­ker­schauen und in Zoos wäh­rend der Kolonialzeit.

Ab der zwei­ten Hälfte des 19. Jahr­hun­derts wur­den in Europa im Zuge der kolo­nia­len Expan­sion sowie des wach­sen­den Inter­es­ses an ande­ren Welt­ge­gen­den ver­mehrt „exo­ti­sche“ Men­schen öffent­lich zur Schau gestellt. Beson­ders Men­schen afri­ka­ni­scher Her­kunft wur­den von den Betrei­bern der Völ­ker­schauen und Tier­gär­ten zusam­men mit exo­ti­schen Pflan­zen und Tie­ren in Szene gesetzt. Damit sollte dem euro­päi­schen Publi­kum die „zivi­li­sa­to­ri­sche“ Rück­stän­dig­keit die­ser Men­schen und deren Nähe zu Tie­ren – beson­ders Affen – vor­ge­führt werden.

Dass der Zoo vor die­sem his­to­ri­schen Hin­ter­grund im Pro­gramm des „Afri­ka­tags im Zoo“ den Bogen vom Kon­zert eines Afri­ka­chors und einer Füh­rung über Shona-Kunst direkt zur „Füt­te­rung unse­rer Men­schen­af­fen“ spannt, emp­fin­den wir als höchst pro­ble­ma­tisch. Diese Kri­tik wurde bereits aus­führ­lich an ande­ren Afrika-Inszenierungen in Zoos for­mu­liert, etwa 2005 am Augs­bur­ger Zoo. (s. dazu: http://www.sueddeutsche.de/kultur/skandal-im-zoo-das-ist-kein-afrikanisches-dorf-1.417786).

Es ist bedenk­lich, dass in Deutsch­land nach wie vor afri­ka­ni­sche Kunst ihren Platz im Zoo zuge­wie­sen bekommt. Bereits seit Januar wird im Hei­del­ber­ger Zoo die afri­ka­ni­sche Shona-Kunst direkt neben den Tier­ge­he­gen aus­ge­stellt. Damit wird ein Afri­ka­bild auf­recht erhal­ten, wel­ches den Kon­ti­nent und seine Bewoh­ne­rIn­nen als rück­stän­dig, ursprüng­lich und natur­ver­bun­den dar­stellt.
Wir for­dern den Zoo Hei­del­berg dazu auf, sich kri­tisch mit der Ver­gan­gen­heit aus­ein­an­der­zu­set­zen und Ver­an­stal­tun­gen sol­cher­art nicht kom­men­tar­los eine Platt­form zu geben oder gar zu bewer­ben. Der Respekt gegen­über den Opfern von kolo­nia­ler Gewalt und Ras­sis­mus sowie gegen­über den heute hier leben­den Men­schen afri­ka­ni­scher Her­kunft erfor­dert es, dass sich der Zoo Hei­del­berg öffent­lich von den his­to­ri­schen Kon­ti­nui­tä­ten der Zur­schau­stel­lung von Men­schen dis­tan­ziert. Für die Zukunft bit­ten wir den Zoo Hei­del­berg darum, auf die exo­ti­sche Insze­nie­rung von Men­schen zu ver­zich­ten.
Fer­ner for­dern wir den Zoo auf, jedem/r Besu­che­rIn der Ver­an­stal­tung die­sen offe­nen Brief als Teil der kri­ti­schen Aus­ein­an­der­set­zung aus­zu­hän­di­gen und uns die Mög­lich­keit zu geben, wäh­rend der Ver­an­stal­tung mit den Besucher/innen in Kon­takt zu treten.

Wir for­dern den Kul­tur­be­trieb in Hei­del­berg dazu auf, afri­ka­ni­scher Kunst Räume außer­halb von Zoos oder inter­kul­tu­rel­len Fes­ten zur Ver­fü­gung zu stel­len.
Wir wür­den uns freuen, mit der Zoo­ver­wal­tung hin­sicht­lich der Rassismus-Problematik ins Gespräch zu kom­men. Grund­sätz­lich sind wir der Mei­nung, dass der Hei­del­ber­ger Zoo als ein moder­ner Zoo in einer offe­nen Stadt wie Hei­del­berg mit gutem Bei­spiel voran gehen könnte.

Mit freund­li­chen Grü­ßen
Pan-Afrikanische Orga­ni­sa­tion Hei­del­berg e.V.
VASUH (Ver­ein afri­ka­ni­scher Stu­die­ren­der an der Uni­ver­si­tät Hei­del­berg)
schwarz­weiss e.V.
Anti­dis­kri­mi­nie­rungs­re­fe­rat der Stu­die­ren­den­ver­tre­tung (FSK) der Uni­ver­si­tät Hei­del­berg
Kapel­len­ge­meinde Heidelberg