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Griechisch-deutsche Urlaubs­ge­sprä­che

Sommer 2010. Am Strand 'Varkiza' in Athen

Eine kleine Taverna am Strand. Anna, eine grie­chi­sche Stu­den­tin, sitzt an der Bar und durch­sucht die Klein­an­zei­gen nach Stu­den­ten­jobs, als Wolf­gang die Taverna betritt, som­mer­li­che Strand­röte im Gesicht, Bir­ken­stock mit Socken an den Füßen.

Wolf­gang: Kali­mera. Ein Gyros-Souvlaki mit viel Zaziki. Und ein küh­les „Mythos“-Bier, bitte. Zu Anna: Zum Essen gehörts halt a guats Bier.

Anna (lacht): Ein deut­scher trinkt grie­chi­sches Bier… gefällt Dir Griechenland?

Wolf­gang: Ja klar…dieses Meer, der Strand, der blaue Him­mel,… das leckere Essen: Souvlaki, Zaziki, Kala­ma­raki, Feta und natür­lich …ouz­aki zum trin­ken! Das ist Urlaub.

Nikos (ser­viert das Bier): Warst du schon auf der Akro­po­lis? Die muss man gese­hen haben.

Wolf­gang: Natür­lich! Die Akro­po­lis ist das wich­tigste Denk­mal der Euro­päi­schen Kultur.

Nikos: Ja, unsere Kul­tur und Geschichte sind sehr bedeu­tend für Europa.

Anna: Aber Nikos, warst du über­haupt schon auf der Akropolis?

Nikos: Hmm, ja vielleicht…bestimmt ein­mal mit der Schule, aber ich erin­nere mich nicht genau.

Wolf­gang: Was? Ich dachte, alle Grie­chen ken­nen das. Das ist doch die Basis eurer Kul­tur. Grie­chi­sche Kul­tur, Pla­ton, Aris­to­te­les, Sokra­tes, Homer…

Nikos: Siehst du? Wir haben die bes­ten Phi­lo­so­phen der Welt hervorgebracht.

Anna: Hast du schon mal was von Pla­ton gelesen?

Nikos: äh …eigent­lich nicht. Aber ich weiß das alles. Unsere Phi­lo­so­phen waren ein­fach coole Typen. Sie haben es sich gut gehen las­sen, viel Wein getrun­ken und des­halb hat­ten sie so gute Ideen.

Wolf­gang: Was? Sie mei­nen Pla­ton hätte besof­fen phi­lo­so­phiert? Jetzt zie­hen sie aber ihre eigene Geschichte in den Dreck.

Anna: Die moder­nen Grie­chen phi­lo­so­phie­ren bei Café frapé…

Wolf­gang: Ah, das wun­dert mich ja gar nicht. Grie­chen wol­len ja auch nicht arbei­ten, und trotz­dem Wein trin­ken, und Sir­taki tan­zen, und plau­dern …und am Ende nichts bezahlen…

Nikos: Das ist unser Lebens­til. Wir wol­len Spaß haben. Leben ist nicht nur Arbeit…

Anna: So zu leben schaf­fen wir lei­der auch nur sel­ten und vor allem nicht alle! Kannst du dir etwa leis­ten, Nikos, jeden Nach­mit­tag dei­nen 5-Euro Frapé in der Strand­bar zu schlür­fen und jeden Abend in den Bars und ‚Bou­zou­kia‘ zu ver­brin­gen wo du in den bil­ligs­ten loca­ti­ons 100 Euro für eine Fla­sche Wein lässt? Das machen doch nur die Rei­chen und viel­leicht die Tou­ris­ten hier… Die meis­ten Grie­chen blei­ben zu Hause und sehen fern.

Wolf­gang: Du hast viel­leicht Recht. Einige Dinge sind wirk­lich teuer in Athen. Ich wusste das gar nicht. Die grie­chi­sche Wirt­schaft ist offen­sicht­lich in einer sehr gro­ßen Krise.

Nikos: Das stimmt. Aber die EU und beson­ders Deutsch­land wol­len uns nicht hel­fen! Und was macht ihr statt­des­sen? Ihr belei­digt unsere Kul­tur und nennt uns ‚Betrüger‘!

Wolf­gang: Ja aber wisst Ihr eigent­lich, dass der ganze Wohl­stand, den Grie­chen­land hier hatte, von der EU finan­ziert ist? Wir haben hier rich­tig viel gehol­fen. Und was ist der Dank? Grie­chen­land hin­ter­geht die EU beim Euro. Das ist wirk­lich der Gipfel.

Nikos: Was? Die EU schul­det uns viel, die gesamte Zivi­li­sa­tion der EU kommt aus Grie­chen­land. Und außer­dem sind die Deut­schen schul­dig wegen des Zwei­ten Welt­kriegs! Ver­giss das nie! Wir waren immer unter­drückt und kolo­ni­siert. Erst das Osma­ni­sche Reich, dann die Bri­ten, die Fran­zo­sen, die Deut­schen, die Ita­lie­ner und am Ende die Ame­ri­ka­ner.
Anna: Aber wir tra­gen auch eine Mit­schuld, denn wir haben die kor­rup­ten Poli­ti­ker der gro­ßen Par­teien akzep­tiert, weil wir dach­ten, dass unsere Kin­der auch mal für den Staat arbei­ten könnten.

Wolf­gang: Ja, das Land der Beam­ten, die süd­eu­ro­päi­sche DDR. So ist Grie­chen­land. Das Land der kor­rup­ten Poli­ti­ker und Bür­ger, die keine Steu­ern zah­len. Das Land der demons­trie­ren­den und fau­len Leute.

Anna: Die Beam­ten, die vom Staat ange­stellt sind, hin­ter­zie­hen Steu­ern. Wie soll das denn funktionieren?

Nikos: Na, und Deutsch­land ist das Land der Robo­ter, die den gan­zen Tag arbei­ten. Sie wis­sen gar nicht, wie man gut lebt. Und manch­mal fol­gen sie jeman­dem wie Hit­ler… Dann wer­den sie Nazi­ro­bo­ter und zer­stö­ren die ganze Welt. Sie könn­ten von uns ler­nen wie man gut lebt!

Anna: Wie deine Mut­ter, die als Leh­re­rin 1000 Euro ver­dient. Und meine Schwes­ter, die für 700 Euro im Monat als Redak­teu­rin bei einer Zeit­schrift arbeitet.

Wolf­gang: Ich würde es sehr schwie­rig fin­den in Athen mit so wenig Geld zu leben. Aber ich frage mich, wo eigent­lich das ganze EU-Geld hin ist, es muss doch irgendwo sein.

Anna: Es gibt einen Aus­druck in Grie­chen­land. Die Leute, die aus Luft Geld machen — Luft­men­schen. Hast du diese Che­ro­kees gese­hen? Sie kos­ten nur ein biss­chen Luft und gute Bezie­hun­gen zu Poli­ti­kern, Ban­kern und Betriebs­ma­na­gern, die das EU-Geld als ihr eige­nes Taschen­geld betrach­tet haben.

Nikos: Meine Schicht ist zu Ende. Könnte ich bitte eben kassieren?

Anna: Ich bezahle unsere Getränke. Die Luft­men­schen sind nie hier wenn die Rech­nung kommt.

Caro­line Autha­ler, Yian­nis Brou­zos
Novem­ber 2010