Haut|far|be, die; -, –en: Farbton der Haut, welcher vor allem durch die Pigmentierung, bzw durch die Menge an Melanin bestimmt ist.
In Europa spielte die Hautfarbe als Identitäts– und Unterscheidungsmerkmal von Menschen lange Zeit nur eine untergeordnete Rolle. In Antike und Mittelalter waren Kriterien wie Religionszugehörigkeit oder das Gegensatzpaar zivilisiert-barbarisch weitaus wichtiger. Die verschiedenen Hautfarben bei Menschen wurden mit der Säftelehre erklärt, welche die unterschiedlichen Hauttöne auf das jeweilige Mischverhältnis der Körpersäfte zurückführte. Im 6. Jahrhundert entstand dann die so genannte Hamiten-Theorie, welche unter Berufung auf die biblische Geschichte Noahs, die Existenz dunklerer Hauttöne erklärte. Diese Theorie besagt, dass Noahs Sohn Ham und dessen Nachkommen als Strafe für ihre Sünden „geschwärzt“ und zur Sklaverei verdammt worden waren.
Im Zuge der Eroberung Amerikas und des aufkommenden transnationalen Sklavenhandels im 16. Jahrhundert kam es zu einer Aufwertung der Kategorie Hautfarbe. Als Legitimation für die Versklavung von Menschen „schwarzer“ Hautfarbe wurde unter anderem auch die Hamitentheorie herangezogen. Zeitgleich begannen sich die EuropäerInnen als „weiß“ wahrzunehmen und grenzten sich dadurch von den zunehmend als minderwertig angesehenen Menschen anderer Erdteile ab.
Im 18. Jahrhundert setzte sich die Hautfarbe dann endgültig als zentrales Unterscheidungsmerkmal von Menschengruppen durch. Aufgrund der wachsenden Mobilität und Vernetzung der Weltwirtschaft wurde die außereuropäische Welt in der Wahrnehmung der Europäerinnen und Europäer immer präsenter. Der damit verbundenen Verunsicherung angesichts der „Fremdheit“ anderer Kulturen, begegnete die EuropäerInnen mit Klassifizierungssystemen, in welche sie das „Fremde“ eingeordnet wurde. Besonders die Aufklärung spielte bei diesem Prozess eine entscheidende Rolle. Im Zuge der Verwissenschaftlichung der Welt wurde der Mensch nicht mehr in einer göttlichen Schöpfungsgeschichte eingereiht, sondern an die Spitze einer natürlichen Hierarchie gestellt. Demnach sei der Mensch nicht nur den Tieren überlegen, sondern auch zwischen verschiedenen Gruppen von Menschen wurden kulturelle Abstufungen vorgenommen. Bei dieser Hierarchisierung der Menschen war die Hautfarbe das entscheidende Kriterium. Weiß-Sein wurde mit Zivilisiertheit, Fortschrittlichkeit, Moralität und Intelligenz gleichgesetzt – alle anderen Hautfarben demgegenüber mit entsprechenden negativen Eigenschaften belegt.
Indem die Denker der Aufklärung die Menschheit ausgehend von den verschiedenen Hautfarben hierarchisierten, verschafften sie den realen rassistischen Hierarchien des Kolonialismus eine wissenschaftliche Legitimation. Im Gegensatz zu früheren Unterscheidungskriterien, wie zum Beispiel der Religionszugehörigkeit, ist die Hautfarbe ein kaum veränderbares Merkmal. Deshalb konnten auch die damit verbunden Hierarchien als „natürlich“ erachtet werden. Dies zeigt sich besonders deutlich in solchen Kolonien, in die viele weiße Siedler auswanderten. In diesen Gesellschaften waren Hautfarbe und soziale Stellung vollkommen miteinander verknüpft. Beispielsweise wurde Schwarzen der Zugang zu höherer Bildung untersagt, mit der Begründung, dass ihnen dazu die Intelligenz fehle.
In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts erreichte die wissenschaftlich-rassistische Betrachtung von Hautfarben ihren Höhepunkt und hatte sich sehr stark ausdifferenziert. Gleichzeitig zeigten sich aber auch immer deutlicher die Unschärfen und Brüche dieses Klassifikationssystems. Eine der größten Herausforderungen bildeten die sogenannten „Mischlinge“, also Kinder von Eltern zweier unterschiedlicher Hautfarben. Solche Klassifikationsprobleme wurden teilweise dadurch umgangen, dass das äußere Merkmal des Farbtons der Haut von der Hautfarbe losgelöst wurde. Beispielsweise galt in den USA bis in die 60er Jahre die „one-drop-rule, welche besagt, dass ein Mensch als „schwarz“ eingestuft wird, wenn er einen einzigen schwarzen Vorfahren hat. Diese Überlegungen gingen so weit, dass Rassentheoretiker debattierten, ob Juden als schwarz anzusehen seien.
Dies waren allerdings keine neuen Ideen des 20. Jahrhunderts, sondern sind dem Konzept der Hautfarbe als innerer Widerspruch inhärent. Nimmt man den Hautton als Kriterium, gibt es keine weißen, schwarzen, roten oder gelben Menschen. Vielmehr finden sich in jeder Gesellschaft verschiedene Hauttöne, wobei das Extrem weiß oder schwarz im Normalfall nicht vorkommt. In den letzten Jahrzehnten beginnt sich – ausgehend von wissenschaftlichen Erkenntnissen – eine neue Betrachtungsweise der Hautfarben durchzusetzen. In diesem Kontext lässt sich Weiß-Sein nicht mehr als Norm vorstellen, von der die anderen Hautfarben defizitär abweichen. Statt dessen wird heute angenommen, dass alle Menschen ursprünglich einen sehr dunklen Hautton hatten und sich ausgehend von diesem die helleren Hauttöne entwickelt haben.
Jan Diebold, September 2011