In|te|gra|ti|on, die; -, –en: [entlehnt aus lat. integratio = Erneuerung, Vervollständigung, Wiederherstellung und lat. Integer = unversehrt, ungeschwächt, unangetastet]
Bereits dieser kurze Ausschnitt aus dem Lexikon zeigt deutlich, dass die Bedeutung des Wortes Integration eindeutig zweideutig ist. Der ersten Bedeutung liegt ein fortlaufender wechselseitiger Prozess zugrunde, bei welchem sich die einzelnen Elemente zu einem Ganzen zusammen schließen (=> integratio = Erneuerung). In der zweiten Bedeutung handelt es sich um einen Prozess, bei dem neu hinzu kommende Elemente, in eine bestehende Ordnung so aufgenommen werden, dass sie sich im Idealfall von den alten Elementen nicht mehr unterscheiden als diese untereinander. Das bereits bestehende Ganze bleibt integer, d.h. unangetastet.
In der deutschen Öffentlichkeit findet der Begriff vornehmlich in Bezug auf die Einbürgerung von Ausländern Verwendung. Dabei wird Integration in der Regel als Anpassung an die bestehenden gesellschaftlichen und kulturellen Verhältnisse verstanden. So erklärt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge auf seiner Homepage: „Integration ist ein langfristiger Prozess. Sein Ziel ist es, alle Menschen, die dauerhaft und rechtmäßig in Deutschland leben in die Gesellschaft einzubeziehen. […] Sie stehen dafür in der Pflicht, Deutsch zu lernen sowie die Verfassung und die Gesetze zu kennen, zu respektieren und zu befolgen.“ Integration wird hier nicht als wechselseitiger, ergebnisoffener Prozess verstanden, sondern als etwas das von den Ausländern gefordert werden muss: „Wenn Sie in Deutschland leben möchten, sollten Sie Deutsch lernen. […] Außerdem sollten Sie einige Dinge über das Land, in dem Sie leben, wissen. Geschichte, Kultur und Rechtsordnung gehören dazu. All das lernen Sie im Integrationskurs.“
Wie bereits erwähnt ist der Begriff der Integration doppeldeutig. In der öffentlichen Debatte wird er meist einseitig in seiner Bedeutung als Eingliederung in ein größeres Ganzes verstanden, was viel genauer mit dem Begriff der Assimilation erfasst wäre. Assimilation bezeichnet das Aufgehen von Individuen oder Gruppen in einer fremden Gesellschaft. Dies beinhaltet die Aufgabe der alten Identität und die Annahme eines neuen Zugehörigkeitsgefühls. Anhand der oben angeführten Beispiele zeigt sich, dass kaum öffentliches Interesse daran besteht, Integration als Herstellung einer Einheit aus Differenziertem zu verstehen. Betrachtet man den Unterschied zwischen den verschiedenen Bedeutungen des Begriffes und der tatsächlichen einseitigen Auslegung, stellt sich die Frage, warum nicht der Ausdruck Assimilation anstelle von Integration verwendet wird.
Bei der Debatte um Integration wird immer die Sprache als das Entscheidende Kriterium heran gezogen. Jüngst äußerte sich dazu die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung Maria Böhmer: „Deutsch ist das Band, das uns verbindet.“ Dabei zeigt sich jedoch, dass gerade von denen die sie einfordern, sprachlich ungenau mit dem Begriff Integration umgegangen wird.
Jan Diebold, Philmon Ghirmai und Janina Reibold
November 2010