Bildrechte Tatort

Schwarze Afgha­nen und weib­li­che Nebenrollen

Warum Bil­der von beten­den Mus­li­men vor Gabel­stap­lern schwie­rig sind

In ihrer Comic­se­rie »Dykes to Watch Out For« führte die Car­too­nis­tin Ali­son Bech­del 1985 einen Test zur Rolle von Frauen in Fil­men ein. Sie legt als Kri­te­rium fol­gende Frage an die unter­such­ten Filme an: Spie­len min­des­tens zwei Frauen mit, die in einer Szene eine Unter­hal­tung füh­ren, in der es nicht um Män­ner geht? So ver­blüf­fend die Ergeb­nisse die­ses Tests aus­fal­len, ist er nicht auf alle Filme anwend­bar und sagt noch nichts über einen mög­li­chen gen­dergerech­ten Inhalt aus. Eine Erfül­lung der Bechdel-Kriterien garan­tiert kei­nen sexis­mus­freien Film. Wei­ter­füh­rende Debat­ten haben dar­über hin­aus die Rol­len von Frauen im Spiel­film kri­ti­siert. Bei­spiels­weise seien weib­li­che Figu­ren meis­tens in Neben­rol­len zu sehen, haben keine iden­ti­fi­zier­ba­ren Ziele und seien in 25% der Fälle »unan­ge­mes­sen« gekleidet.

Dis­kri­mi­nie­rende Mus­ter las­sen sich auch bezüg­lich Ras­sis­mus im Film erken­nen. In US-amerikanischen Pro­duk­tio­nen spie­len Afroamerikaner_innen meist lus­tige oder kri­mi­nelle Rol­len, Asiat_innen kom­men noch sel­te­ner vor und dann häu­fig im Rah­men von Martial-Arts-Szenen oder als Arme in China-Town. Auch in deut­schen Fil­men fin­den sich viele For­men des unter­schwel­li­gen Ras­sis­mus. Hier­zu­lande beklag­ten sich jüngst zahl­rei­che Schauspieler_innen dar­über, nur für ste­reo­type Rol­len – Kri­mi­nelle »Aus­län­der«, Rei­ni­gungs­kraft, Ziga­ret­ten­ver­käu­fer – enga­giert zu werden.

Für das Publi­kum ist die schwarz-weiße Dar­stel­lungs­weise eine Ver­ständ­nis­hilfe. Die Hand­lung und Cha­rak­tere sind ein­fa­cher nach­zu­voll­zie­hen, wenn sie bekann­ten Ste­reo­ty­pen ent­spre­chen und nicht dif­fe­ren­ziert dar­ge­stellt werden.

Die Bedeu­tung von Ste­reo­ty­pen im »Tatort«

Bil­der sind in der Pro­duk­tion von Ste­reo­ty­pen eigen­stän­dige Akteure. Ras­sis­men und Sexis­men wer­den durch sie nicht nur repro­du­ziert, son­dern auch her­ge­stellt. Wie dies genau funk­tio­niert zei­gen wir wei­ter unten anhand einer Bild­ana­lyse aus dem Tat­ort »Schwar­zer Afghane« vom 17. März 2013.

Die vom MDR pro­du­zierte Folge sie­delt die Cha­rak­tere nicht in einem fik­ti­ven Raum an, son­dern in Stadt­tei­len und gesell­schaft­li­chen Grup­pen Leip­zigs, die Gegen­stand aktu­el­ler stadt­po­li­ti­scher Debat­ten sind. In der säch­si­schen Stadt lau­fen seit Jah­ren Dis­kus­sio­nen, in wel­chen Einwohner_innen aus ras­sis­ti­schen Moti­ven kri­mi­na­li­siert und dis­kri­mi­niert werden.

Gegen ein geplan­tes Flücht­lings­heim in Schö­ne­feld mach­ten meh­rere Bürger_inneninitiativen die Kri­tik laut, dass eine ver­meint­lich zu erwar­tende anstei­gende Kri­mi­na­li­täts­rate eine Bedro­hung für die deut­schen Kin­der der benach­bar­ten Schule bedeute.

Vor die­sem rea­len Hin­ter­grund plat­zier­ten die Macher_innen des Tat­orts den kri­mi­nel­len Hand­lungs­raum der Epi­sode in einem mus­li­mi­schen Milieu. Ein afgha­ni­scher Stu­dent plant ein Flug­zeug mit Fracht für Afgha­nis­tan — dar­un­ter auch geschmug­gelte Dro­gen – mit­tels selbst­ge­bau­ter Bom­ben zu spren­gen. Bei der Vor­be­rei­tung sei­nes Ter­ror­an­schlags bringt er meh­rere Men­schen um. Der kri­mi­nelle Plot han­delt also von Isla­mis­mus, Ter­ro­ris­mus und Drogenhandel.

Bildrechte Tatort

Aus Tat­ort »Schwar­zer Afghane«, aus­ge­strahlt am 17. März 2014

Res­sen­ti­ments im Bild: Betende Muslime

Ein Bild, wel­ches sich im Tat­ort »Schwar­zer Afghane« wie­der­holt, ist das beten­der Mus­lime. Auch wenn die Ein­stel­lun­gen nicht gleich sind, ist doch das Ver­bin­dende der Dar­stel­lun­gen die Ent­fer­nung, mit der die Zuschauer_innen auf die Beten­den bli­cken. In dem hier abge­bil­de­ten Bei­spiel wer­den sie von hin­ten gezeigt, ihre Gesich­ter sind somit unkennt­lich.
Die Reprä­sen­ta­tion der »Ande­ren« – hier »offen­sicht­lich« Afgha­nen – erfolgt durch die Gegen­sätz­lich­keit von Gebet und tech­ni­schem Appa­rat. Ins Auge sticht, nicht nur in die­sem Bild, vor allem ein Gabel­stap­ler, der einer­seits Asso­zia­tio­nen von „har­ter Arbeit“ her­vor­ruft, ande­rer­seits das Gebet kon­fron­tiert. Inso­fern, so könnte man sagen, gelan­gen die Afgha­nen in den Ver­dacht, ihre Arbeit zu Guns­ten des Glau­bens lie­gen zu lassen.

Durch die Anony­mi­tät der Beten­den kön­nen sich die Bil­der in ras­sis­ti­sche Debat­ten des Unbe­kann­ten, die sich in extre­mer Form in z.B. anti­mus­li­mi­sche Res­sen­ti­ments stei­gern, ein­schrei­ben. Psy­cho­lo­gisch argu­men­tiert, ver­hin­dert die feh­lende Nähe ein Ver­ste­hen, ein Ein­füh­len. Die sub­tile Ferne der Dar­ge­stell­ten folgt somit gleich­zei­tig kul­tu­rel­len Ste­reo­ty­pen und ent­fal­tet eine wei­tere Qua­li­tät: Das Bild agiert in den Zuschauer und formt so – nicht bewusste – Ein­stel­lun­gen mit.

Die Ana­lyse ver­deut­licht, dass Bil­der in Fil­men Bot­schaf­ten ver­mit­teln, die auf offen­sicht­li­che­ren Ebe­nen wie dem Plot oder Dia­lo­gen nicht aus­ge­drückt wer­den kön­nen. Ein kri­ti­scher Blick auf dis­kri­mi­nie­rende Ele­mente in Fil­men muss also neben den ein­gangs dar­ge­stell­ten inhalt­li­chen Ebe­nen auch das Bild als eigen­stän­di­gen Akteur mit ein­be­zie­hen. Nur in die­ser Gesamt­heit las­sen sich nicht bewusst wir­kende Ste­reo­type erkennen.

Jan Die­bold, Phil­mon Ghir­mai und Ingo Som­mer
Mai 2014