
Unabhängigkeit für wen?
Die wenig glanzvolle Unabhängigkeit in Kamerun
Die Unabhängigkeit Kameruns vollzog sich – wie in den meisten afrikanischen Staaten – nicht elegant in einmütiger Harmonie. Vielmehr handelte es sich um eine mehrjährige Transitionsphase, in der politische und gesellschaftliche Machtverhältnisse neu geregelt, ausgehandelt und angefochten wurden.
Debatten um die Unabhängigkeit thematisierten vor allem die Zukunft der unabhängigen Staaten: Welchen Weg sollten die neuen Staaten einschlagen? Politisch waren dabei zwei Alternativen virulent: Einerseits wurde von lokalen· Unabhängigkeitsbewegungen eine radikale und bedingungslose Unabhängigkeit gefordert, das bedeutet, eine Unabhängigkeit, nach der die Politik des neuen Staates ausschließlich von den eigenen ndumbe prinzStaatsbürgern entschieden wird, ohne fortwährende Mitsprache der ehemaligen Kolonialmächte. Die zweite Variante, die besonders von den Eliten der Kolonialveraltung und den Kolonialmächten favorisiert wurde, sah eine stufenweise „Emanzipation“ von den Metropolen vor, nach der die Kolonien nach und nach in die Unabhängigkeit „entlassen“ werden sollten, wobei sich die Beziehungen zu den Metropolen jedoch nicht grundsätzlich ändern sollten. Paradigmatisch für diese Politik war der Vorschlag Frankreichs 1958, nach dem alle afrikanischen Kolonien in einer „Union Francaise“ aufgehen und innerhalb dieser Struktur dann staatliche Souveränität erlangen sollten.
Im Kamerun hatten sich 1948 Personen und Strömungen, die hauptsächlich der jüngeren afrikanischen Gewerkschaftsbewegung entstammten, zu einer Bewegung für die Unabhängigkeit Kameruns zusammengeschlossen. Trotz des Verbots „indigener Parteien“ bildeten sie eine politische Partei mit dem Namen UPC (Union des Populations du Cameroun). Vorsitzender der Partei wurde Ruben Um Nyobe, der als Gewerkschaftsführer und Sekretär in der Kolonialverwaltung Einblicke in das internationale Kolonialrecht hatte. Seine Entdeckung, dass Kamerun keine Kolonie war, sondern Treuhandgebiet der UNO, war ein Motor für ein kamerunisches Selbstbewusstsein. Fortan wandte sich die UPC direkt an den UNO Treuhandrat, vor dem Um Nyobe die kamerunischen Forderungen nach Unabhängigkeit und Selbstbestimmung vortrug.
Als in immer mehr afrikanischen Kolonien die Forderungen nach Unabhängigkeit aufkamen, und auch nicht mit Versprechen für mehr „Entwicklung“ wie Straßenbau und Schulen zu besänftigen waren, versuchte Frankreich einen politischen Spagat: Einerseits wollten sie den Unabhängigkeitsbewegungen entgegen kommen, um sie zu mäßigen, andererseits sollte der französische Einfluss in den Kolonien gefestigt werden. Das hatte zu Folge, dass 1956 in den afrikanischen Kolonien erstmals Wahlen auf lokaler Ebene zugelassen und in diesem Zuge auch Parteigründungen von Afrikanern legalisiert wurden. Es kam zu einer Vielzahl von Parteigründungen mit französischer Unterstützung und Kolonialbeamten an der Spitze, die die französische Losung einer langsamen Autonomie der Kolonien bei Aufrechterhaltung der Assoziation an Frankreich propagierten. Zeitgleich wurde in Kamerun die UPC verboten – offiziell wegen Anstiftung zum Generalstreik, bei dem 1956 bessere Arbeitsbedingungen für Arbeiter gefordert wurden.
Damit war die Forderung nach sofortiger Unabhängigkeit, die von Kamerunern gestaltet werden sollte, aus den öffentlichen Debatten verbannt, die von nun an hauptsächlich um den Zeitplan und die „Fortschritte“ der Demokratie in Kamerun kreisten. Die UPC arbeitete aus dem Exil und dem Untergrund – auch bewaffnet – weiter für ihre Ziele, musste dabei jedoch herbe Verluste einstecken. 1958 wurde Um Nyobe von kamerunischen und französischen Militärs umgebracht, sein Nachfolger Felix Moumié, der das Exilbüro in Genf führte, wurde dort vom französischen Geheimdienst bei einem geschäftlichen Abendessen vergiftet.
Da die Unterstützerbasis der kamerunischen Untergrundbewegung aber stetig wuchs, sah die Regierung, die 1958 von Frankreich eingesetzt wurde, ihre Legitimität in der Bevölkerung gefährdet und bekämpfte die UPC mit massiver militärischer Einschüchterung und Gewalt, weit über das Jahr 1960 hinaus. In diese Zeit fielen nun die Feiern für die Unabhängigkeit, deren Legitimität von der UPC grundsätzlich in Zweifel gezogen wurde.
*Bildquelle: http://edetayo.blogspot.com/2008/10/cameroun-assumer-lheritage-nationaliste.html
Caroline Authaler, Oktober 2010
Die Regisseurin Gaëlle Le Roy hat 2009 einen Dokumentarfilm über den Dekolonisierungskrieg in Kamerun und die gewalttätige Unterdrückung der kamerunsichen Unabhängigkeitsbewegung produziert. Dank der Öffnung der französischen Militärarchive konnte sie die französischen Militärmanöver erstmals genau dokumentieren. hier gehts zum Film über google Videos: http://video.google.com/videoplay?docid=8125386749553255915
Im Interview erklärt sie, warum dieses Kapitel der Geschichte in Frankreich systematisch verdrängt wird.
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